Nicht auf dem Buckel der Garagisten

Agenturmodell

Nicht auf dem Buckel der Garagisten

23. März 2023 agvs-upsa.ch – «Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen!» Das ist eine Erkenntnis der Informationsveranstaltung der AGVS-Sektion Bern zum Thema Agenturmodell.​


Angeregte Diskussionen: Die Garagisteinnen und Garagisten tauschten sich nach der Veranstaltung bei einem Apéro riche aus. Foto: AGVS-Medien

srh. Der Schulungsaal 8 im Erdgeschoss der Mobilcity ist gut gefüllt und veranschaulichte das Interesse der Garagistinnen und Garagisten zum Thema. Die AGVS-Sektion Bern hat an diesem Abend zu «KFZ-Gewerbe und Agenturvertrag – Chance und Risiken» geladen; rund 80 Personen sind der Einladung gefolgt. Und schnell zeigt sich: Die Thematik umtreibt das Gewerbe und macht einigen noch Bauchschmerzen, auch weil vieles noch unbekannt und ungewiss ist. 

Mitte-Nationalrat Nik Gugger, selbst Verwaltungsrat der Winterthur Bühlmann Garage, reichte aus diesem Grund eine Motion ein, um die rechtliche Basis für die Händler abzusichern und das Kartellrecht entsprechend zu ergänzen. «Die Hersteller sollen nachweisen müssen, dass das Agentursystem auch für die Garagisten effizienter ist als das bisherige Vertriebsmodell», erklärt er sein Bestreben den Anwesenden. Die Motion «Schutz vor der einseitigen Einführung des Agenturmodells im KFZ-Markt» reichte er im September 2022 ein. Der Bundesrat lehnte sie zwar ab, doch kann das Parlament sie gleichwohl noch überweisen. So geschah das auch mit der «Motion Pfister», welche die Umwandlung der KFZ-Bekanntmachung in eine rechtsbindende Verordnung fordert. Der Bundesrat ist bis dato dieser Forderung des Parlaments noch nicht nachgekommen.

Vor- und Nachteile des Agentursystems
Markus Aegerter, AGVS-Geschäftsleitung Bereich Branchenvertretung, beschäftigt sich seit längerem mit dem Thema Agenturmodell und stellt das just publizierte Rechtsgutachten vor, das der AGVS in Auftrag gegeben hat und im AUTOINSIDE 4/23 präsentiert wird. «Fluch oder Segen?», fragt er die Garagisten. Dazu beleuchtet er mögliche Vor- und Nachteile des Agenturmodells und rät: «Seid offen für das, was kommt.» Es habe sich gezeigt, dass das Thema komplex ist – das hätten auch die Hersteller und Importeure realisiert. «Wichtig ist: Das darf nicht auf dem Buckel der Händler ausgetragen werden», hält er fest. Auch wenn es in Europa kaum einen Sonderweg für die Schweiz geben werden, können gesetzliche Grundlagen, wie die Motionen Pfister und Gugger fordern, in den Verhandlungen für eine bessere Ausgangslage sorgen.

Was ist mit dem Occasionsgeschäft und Aftersales?
Der AGVS-Rechtskonsulent Tobias Treyer gibt spannende Einblicke in seine Arbeit, durch die er auch auf europäischer Ebene Kontakt mit Anwälten und Markenhändlerverbänden hat. «Grundsätzlich steht ein echter Agent nicht unter kartellrechtlicher Kontrolle; die Motion Gugger möchte dies ändern», erklärt er in seinem gleichsam unterhaltenden und informativen Referat. Er zeigt die Warnung des europäischen Dachverbands Cecra: «Unterschreiben Sie keine unechten Agenturverträge.» Er berichtet von den Verhandlungen mit den diversen Herstellern und gibt als Tipp: «Schauen Sie sich gut an, was in den Verträgen drin steht und lassen Sie sich nicht unter Druck setzen – auch zeitlich nicht. Rechnen Sie durch, was das für Ihren Betrieb bedeutet.» 
Treyer mahnt auch, man solle sich das Occasionsgeschäft (Leasingrückläufer, Eintauschfahrzeuge) wie auch die Wertschöpfung aus dem Aftersales nicht wegnehmen lassen. «Wehren Sie sich mit Händen und Füssen!», rät der Jurist den Garagisten. Er fand auch beruhigende Worte für die Anwesenden: «Es geht nicht alles so schnell und radikal, wie es zu Beginn vielleicht den Anschein machte: Einige Hersteller, die die Einführung für 2023 geplant hatten, haben dies nun auf 2028/29 geschoben.» 

Stärke markieren
Direkt aus Verhandlungen zwischen Markenhändlerverband und Hersteller berichtet Roger Küng, Vize-Präsident des europäischen Peugeot-Händlerverbands. «Wir konnten in 199 Punkten eine Verbesserung erreichen», sagt er. «40 Punkte schmecken uns weniger gut.» Wichtig sei, in den Verhandlungen Stärke zu markieren. Ebenso der Beizug von juristischer Unterstützung. «Die Hersteller haben gemerkt, dass eine gute Vertriebsorganisation unerlässlich ist – über diese werden noch immer rund 95 Prozent der Fahrzeuge verkauft.»

Nach rund zweieinhalb Stunden endet der offizielle Teil der gemeinsam von der Sektion Bern und der Stiftung KMU für Rechtsdurchsetzung organisierten Veranstaltung mit den Worten von Stiftungsratspräsident Patrick Krauskopf: «Was wir wissen, haben wir Ihnen heute Abend weitergegeben.» Im Anschluss Teil diskutieren die Garagistinnen und Garagisten im nebenanliegenden Restaurant bei einem Apéro riche über das Gehörte und die möglichen Auswirkungen auf die geschäftliche Zukunft. Oder einfach sonst über das Garagen- und Autogewerbe.
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