Figas-Branchenspiegel
Die Schweizer Garagen sind gesund, aber …
Autogewerbe: Der alljährliche Figas-Branchenspiegel hilft Garagisten, die eigenen Kennzahlen einzuordnen. Im Interview erläutert Figas-GF-Mitglied Andreas Kohli den Branchenspiegel 2023. Foto: Shutterstock
srh. Herr Kohli, was ist die wichtigste Erkenntnis des Branchenspiegels 2023?
Andreas Kohli, Leiter Treuhand sowie Mitglied der Geschäftsleitung bei Figas: Das Autogewerbe kann auf ein sehr erfreuliches Geschäftsjahr 2022 zurückblicken. Viele Betriebe konnten das bereits gute Ergebnis 2021 nochmals zum Teil deutlich übertreffen.
Im Jahr 2021 wurde mit 2,3 % ein so hoher Cashflow wie seit 2008 nicht mehr verzeichnet; wie sah diese wichtige Zahl im Jahr 2022 aus?
Der Cashflow-Grad konnte auf 2,7 % erhöht werden, was den höchsten Wert seit der Jahrtausendwende darstellt. Dies ist einerseits auf das gute Ergebnis zurückzuführen. Andererseits darf auch nicht vergessen werden, dass sich die Umsatzstruktur gegenüber früher spürbar verändert hat. Der Aftersalesumsatz ist im Verhältnis zum Gesamtumsatz wesentlich höher als vor der Coronakrise und in diesem Bereich sind natürlich höhere Gewinnmargen üblich.
Wie steht es um die Eigenkapital-Rentabilität, die letztes Jahr ebenfalls gute Werte hatte?
Dieser Wert konnte im Vergleich zum Krisenjahr 2020 verdreifacht werden. Die Rentabilität von 7,8 % ist allerdings mit Vorsicht zu geniessen. In vielen Fällen steht die Betriebsliegenschaft im Eigentum des Garagenbetriebs. Der aktuelle Verkehrswert liegt üblicherweise deutlich über dem kalkulatorischen Restwert. Wären die aktuellen Verkehrswerte verfügbar, würde sich folglich das effektive Eigenkapital erhöhen, was sich wiederum negativ auf die Rentabilität auswirken würde.
Im letzten Jahr attestierten Sie den Schweizer Garagisten, dass sie krisenresistent sind. Können Sie diese Aussage aufgrund der Zahlen 2022 bestätigen?
Definitiv! Man kann durchaus sagen, dass sich die Coronakrise sogar positiv auf die Ertragslage ausgewirkt hat. Mindererträge im Neuwagenhandel konnten weitgehend mit dem boomenden Occasionshandel kompensiert werden. Zudem haben die Garagisten im Krisenjahr 2020 ihre Kostenstruktur optimiert. Zusammen mit dem florierenden Aftersalesbereich hat sich daraus eine erfolgbringende Konstellation ergeben.
In den letzten Jahren zeigte sich, wegen Corona, Lieferproblemen und Ukraine-Krieg, dass die Erträge im Neuwagenhandel rückläufig waren. Hat sich diese Tendenz auch 2022 bestätigt?
Man muss unterscheiden zwischen Stückzahlen und Umsatz. Die Stückzahlen waren rückläufig, wie in der Immatrikulationsstatistik von Auto-Schweiz nachzulesen ist. Durch die markant höheren Durchschnittspreise ist jedoch der Umsatz sogar leicht angestiegen. Ein ähnliches Bild ist bei den Margen zu sehen. Zwar haben einzelne Importeure das Margensystem zuungunsten der Händler angepasst und auch die Zielerreichungsboni sind eher bescheiden ausgefallen. Aufgrund der geringen Verfügbarkeit der Fahrzeuge sind die Rabattschlachten dafür weitgehend ausgeblieben. Deshalb konnte die Bruttogewinnmarge auf Vorjahresniveau gehalten werden.
Ja. Die Verkaufspreise sind nochmals deutlich angestiegen. Dadurch konnten auch Fahrzeuge mit längeren Standzeiten gewinnbringend verkauft werden. Wegen des geringen Angebots liessen sich die Fahrzeuge recht gut verkaufen. Die grosse Herausforderung lag für einmal im Einkauf.
Was lässt sich über die Entwicklung im Aftersales – Werkstatt und Ersatzteile – sagen?
2022 war das dritte Jahr infolge mit ausserordentlich tiefen Neuwagenverkäufen. Dadurch hat sich das Durchschnittsalter der Fahrzeugflotte weiter erhöht. Dies wirkte sich positiv auf den Aftersalesbereich aus. Zwar blieben die verkauften Stunden sowie der Materialbedarf etwa auf Vorjahresniveau. Da jedoch der Verrechnungslohn und insbesondere die Teilepreise gestiegen sind, resultierten dennoch Umsatzsteigerungen.
2021 war ein deutlicher Sprung beim Eigenfinanzierungsgrad festzustellen. War dies ein Ausreisser nach oben oder blieb das Niveau auf der gleichen Höhe?
In Franken hat das Eigenkapital aufgrund der positiven Ertragslage zugenommen. Aufgrund der höheren Fahrzeuglager und der entsprechenden Zunahme bei den Verbindlichkeiten war der Eigenkapitalanteil im Verhältnis zur Bilanzsumme trotzdem leicht rückläufig.
Der Cashflow der Schweizer Garagenbetriebe erhöhte sich auch im vergangenen Jahr. Grafik: Figas
Per 31. März 2022 mussten die Covid-19-Überbrückungskredite zurückgezahlt werden. Welchen Einfluss hatte dies auf die Liquiditätskennzahlen?
Die meisten Betriebe mit Covid-Krediten haben mit ihrer Hausbank vereinbart, dass die Kredite linear bis 2027 zurückbezahlt werden müssen. Einige Betriebe mit Liquiditätsproblemen konnten die Rückzahlungsraten teilweise aufschieben. Insgesamt haben jedoch diese Rückzahlungen ebenfalls zur Verschlechterung der Liquiditätskennzahlen beigetragen. Die Tatsache, dass die Covid-Kredite ab 31. März 2023 mit 1,5 % (resp. 2,0 % für Kredite über 500000 Franken) verzinst werden müssen, könnte durchaus einige Betriebe mit ausreichenden Mitteln zu einer frühzeitigen Rückzahlung motivieren.
Ihre Erhebungen beziehen sich auf Markenvertretungen. Welche Erkenntnisse können markenunabhängige Garagen aus dem Dokument ziehen?
Im Branchenspiegel werden nur die sogenannten Haupthändler dargestellt. Lokalhändler und freie Händler können sich abgesehen von den Zahlen im Neuwagenhandel durchaus mit diesen Werten vergleichen.
Prognosen sind zwar aufgrund der geopolitischen Lage fast so schwierig wie das Voraussagen der richtigen Lottozahlen. Dennoch: In welche Richtung geht das Schweizer Autogewerbe?
Kurzfristig dürfte die positive Ertragslage anhalten. Viele Betriebe verfügen über ein umfangreiches Portefeuille an Neuwagenbestellungen. Wenn diese Fahrzeuge in naher Zukunft ausgeliefert werden können, erhöhen sich die Umsätze und dank den Zielerreichungsboni müssten die Bruttogewinne markant verbessert werden können. Mit den Auslieferungen sollten mehr Eintauschfahrzeuge gehandelt werden können, auch wenn sich die Bruttogewinnmarge wohl verschlechtert. Auch im Aftersalesbereich ist mit Umsatzsteigerungen zu rechnen. Insbesondere die teils deutlichen Aufschläge der Verrechnungslöhne sollten die gestiegenen Betriebskosten zumindest kompensieren.
Der Erlös im Occasionsgeschäft wuchs, weil das Neuwagengeschäft weiterhin harzt. Grafik: Figas
Und mittel- bis langfristig?
Da sieht die Lage weniger rosig aus. Ob mit oder ohne Agenturmodell; die Konditionen im Neuwagengeschäft dürften sich kaum zugunsten der Händler verändern. Die Occasionsmarge wird sich wohl wieder dem Niveau früherer Jahre annähern. Und durch die anstehende Verjüngung der Fahrzeugflotte wird der Aftersalesumsatz pro Fahrzeug ebenfalls abnehmen, verstärkt durch die wartungsärmeren Elektrofahrzeuge. Wer im aktuell noch positiven Umfeld nicht erfolgreich unterwegs ist, wird es wohl künftig sehr schwer haben. Deshalb wäre es nicht überraschend, wenn die seit Jahrzehnten prophezeite Flurbereinigung im Autogewerbe in absehbarer Zeit effektiv stattfindet.
Das sind düstere Aussichten. Gibt es auch positive Signale?
Das Autogewerbe steht vor grossen Veränderungen. Wie üblich bei Veränderungen gibt es Gewinner und Verlierer. Es ist davon auszugehen, dass eine nicht unwesentliche Anzahl von Betrieben verschwinden wird. Die verbleibenden Betriebe werden dadurch tendenziell einen Kundenzuwachs erhalten. Wer die Bedürfnisse der Kunden frühzeitig erkennt und entsprechende Dienstleistungen anbietet, kann auch in Zukunft erfolgreich sein.
Figas wurde im Jahre 1952 als unabhängige und selbstständige Genossenschaft gegründet. Gründungsmitglieder waren der AGVS und sechs kantonale Sektionen sowie sieben autogewerbliche Betriebe. Zu den Kunden zählen Garagenbetriebe, branchennahe Unternehmen, aber auch Importgesellschaften, die einen neutralen, sachkundigen und der Diskretion verpflichteten Partner schätzen. Jeweils im Mai publiziert die Figas den Branchenspiegel, der dem AUTOINSIDE beiliegt, mit Kennzahlen des Automobilgewerbes Schweiz. Weitere Infos und zum Branchenspiegel unter: figas.ch
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