Wirkungsanalyse
Das Dilemma mit Mobility Pricing
11. Juli 2017 agvs-upsa.ch - Zu gerne würde der Bundesrat einen Pilotversuch zu Mobility Pricing durchführen. Nur findet er niemanden, der diesen Versuch will. Für strasseschweiz ist auch so klar: Es braucht kein Mobility Pricing, sondern leistungsfähigere Strassen.
sco. Nicht Bern, nicht Genf, nicht Neuenburg. Auch nicht St. Gallen, Tessin oder Zug: Keiner der ursprünglich interessierten Kantone bietet Hand für einen Pilotversuch mit Mobility Pricing. Dies zeigt ein Bericht, den der Bundesrat publiziert hat. Die Landesregierung will mit räumlich und zeitlich variierenden Preisen die Verkehrsspitzen glätten, ohne die Mobilität insgesamt zu verteuern. Die Aufschläge sollen durch Abschläge in den Randzeiten kompensiert werden.
Da sich kein Proband fand, der den politisch heiklen Versuch durchführen will, weicht der Bundesrat auf einen theoretischen Versuch aus – anhand des Kantons Zug, der sich zu einer sogenannten «Wirkungsanalyse» bereit erklärt. Anhand dieser Analyse sollen Fragen bezüglich der Definition von Spitzen (räumlich und zeitlich) oder der Höhe der Tarife geklärt und Auswirkungen auf Verkehr, Bevölkerung, Gewerbe und Umwelt besser abgeschätzt werden.
Grundsatzabstimmung vor dem Pilotversuch
Der Rückzieher der anfänglich interessierten Kantone zeigt das Dilemma, in dem sich der Bund mit Mobility Pricing befindet: Für diese Wirkungsanalyse ist keine Gesetzesanpassung nötig. Sollte sie aber keine reine Trockenübung bleiben, sondern zählbare Resultate liefern und das Parlament überzeugen, so ist dereinst ein Pilotversuch nötig. Ein Referendum gegen einen solchen Pilotversuch ist so sicher wie das Amen in der Kirche.
Ein derartiges Referendum jedoch würde einer nationalen Grundsatzabstimmung gleichkommen. «Das Pilotprojekt», schreibt der Bundesrat, «könnte seine Funktion zur Schaffung von Akzeptanz gar nicht wahrnehmen, da die Grundsatzabstimmung bereits vorher stattfinden würde.»
4 Fragen an Hans Koller, Generalsekretär strasseschweiz
Herr Koller, die Verkehrsinfrastruktur in der Schweiz stösst an ihre Grenzen. Ist Mobility Pricing für strasseschweiz ein gangbarer Weg?
Nein. Mobility Pricing wird unsere Engpassprobleme auf den Strassen nicht lösen. Der Preis hat bloss einen untergeordneten Einfluss auf das Mobilitätsverhalten im Strassenverkehr. Die Erfahrung zeigt, dass selbst stärkere Einflüsse als der Preis – wie z.B. der Zeitverlust im Stau, die fehlenden Parkiermöglichkeiten, die Kalamitäten aus der Verkehrsdichte usw. – das Mobilitätsverhalten der Summe aller Verkehrsteilnehmer wenig zu lenken vermögen.
Kann Mobility Pricing sogar den Ausbau der Infrastruktur ersetzen?
Nochmals nein. Die Engpass- und die Dichteproblematik im Verkehr lassen sich nur mit betrieblichen und infrastrukturellen Massnahmen lösen. Es braucht leistungsfähigere Strassen, damit das wachsende Verkehrsaufkommen bewältigt werden kann.
Worauf muss bei Mobility Pricing aus Sicht von strasseschweiz geachtet werden?
Die Verbände des Strassenverkehrs werden bei ihrer Meinungsbildung zu Mobility Pricing die folgenden Kriterien beachten müssen.
Erstens: Soll Mobility Pricing als Lenkungs- oder als Finanzierungsinstrument ausgestaltet werden?
Zweitens: Auf welchen Zeitpunkt hin ist die Einführung von Mobility Pricing als Ersatz für die neugeschaffenen Finanzierungssysteme für Schiene (Bahninfrastrukturfonds BIF) und Strasse (Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds NAF) opportun?
Drittens: Werden mit Mobility Pricing die bisherigen Grundsätze der Verkehrsfinanzierung eingehalten? Konkret das Verursacherprinzip bei der Erhebung der Abgabe für Infrastruktur- und Betriebskosten, die Zweckbindung der Abgaben, keine Steuererhebung auf Vorrat, ausreichende Bereitstellung der Finanzmittel für die Finanzierung der Verkehrsinfrastrukturen.
Und viertens: Können die spezifischen Erwartungen an den Systemwechsel zu Mobility Pricing erfüllt werden? Hier geht es um Gleichzeitigkeit bei öffentlichem Verkehr und motorisiertem Individualverkehr, Haushaltsneutralität, Datenschutz, einfache Handhabung und Gerechtigkeit beim Zugang zum Verkehr auch bei regionalen und sozialen Sonderfällen. Das vorliegende Konzept des Bundesrats für ein Mobility Pricing in der Schweiz hält einer Prüfung nach diesen Kriterien nicht Stand; es muss abgelehnt werden.
Ist Mobility Pricing am Ende nur ein hübsch verpacktes Road Pricing?
Diese Gefahr besteht für die weitere Bearbeitung des Dossiers tatsächlich. Der Bundesrat hat sich in seinem Konzeptbericht zu Mobility Pricing aus dem Jahr 2015 jedoch klar für die Gleichzeitigkeit des Systemwechsels für ÖV und MiV ausgesprochen und dies seither mehrmals bestätigt.
sco. Nicht Bern, nicht Genf, nicht Neuenburg. Auch nicht St. Gallen, Tessin oder Zug: Keiner der ursprünglich interessierten Kantone bietet Hand für einen Pilotversuch mit Mobility Pricing. Dies zeigt ein Bericht, den der Bundesrat publiziert hat. Die Landesregierung will mit räumlich und zeitlich variierenden Preisen die Verkehrsspitzen glätten, ohne die Mobilität insgesamt zu verteuern. Die Aufschläge sollen durch Abschläge in den Randzeiten kompensiert werden.
Da sich kein Proband fand, der den politisch heiklen Versuch durchführen will, weicht der Bundesrat auf einen theoretischen Versuch aus – anhand des Kantons Zug, der sich zu einer sogenannten «Wirkungsanalyse» bereit erklärt. Anhand dieser Analyse sollen Fragen bezüglich der Definition von Spitzen (räumlich und zeitlich) oder der Höhe der Tarife geklärt und Auswirkungen auf Verkehr, Bevölkerung, Gewerbe und Umwelt besser abgeschätzt werden.
Grundsatzabstimmung vor dem Pilotversuch
Der Rückzieher der anfänglich interessierten Kantone zeigt das Dilemma, in dem sich der Bund mit Mobility Pricing befindet: Für diese Wirkungsanalyse ist keine Gesetzesanpassung nötig. Sollte sie aber keine reine Trockenübung bleiben, sondern zählbare Resultate liefern und das Parlament überzeugen, so ist dereinst ein Pilotversuch nötig. Ein Referendum gegen einen solchen Pilotversuch ist so sicher wie das Amen in der Kirche.
Ein derartiges Referendum jedoch würde einer nationalen Grundsatzabstimmung gleichkommen. «Das Pilotprojekt», schreibt der Bundesrat, «könnte seine Funktion zur Schaffung von Akzeptanz gar nicht wahrnehmen, da die Grundsatzabstimmung bereits vorher stattfinden würde.»
4 Fragen an Hans Koller, Generalsekretär strasseschweiz
Herr Koller, die Verkehrsinfrastruktur in der Schweiz stösst an ihre Grenzen. Ist Mobility Pricing für strasseschweiz ein gangbarer Weg?
Nein. Mobility Pricing wird unsere Engpassprobleme auf den Strassen nicht lösen. Der Preis hat bloss einen untergeordneten Einfluss auf das Mobilitätsverhalten im Strassenverkehr. Die Erfahrung zeigt, dass selbst stärkere Einflüsse als der Preis – wie z.B. der Zeitverlust im Stau, die fehlenden Parkiermöglichkeiten, die Kalamitäten aus der Verkehrsdichte usw. – das Mobilitätsverhalten der Summe aller Verkehrsteilnehmer wenig zu lenken vermögen.
Kann Mobility Pricing sogar den Ausbau der Infrastruktur ersetzen?
Nochmals nein. Die Engpass- und die Dichteproblematik im Verkehr lassen sich nur mit betrieblichen und infrastrukturellen Massnahmen lösen. Es braucht leistungsfähigere Strassen, damit das wachsende Verkehrsaufkommen bewältigt werden kann.
Worauf muss bei Mobility Pricing aus Sicht von strasseschweiz geachtet werden?
Die Verbände des Strassenverkehrs werden bei ihrer Meinungsbildung zu Mobility Pricing die folgenden Kriterien beachten müssen.
Erstens: Soll Mobility Pricing als Lenkungs- oder als Finanzierungsinstrument ausgestaltet werden?
Zweitens: Auf welchen Zeitpunkt hin ist die Einführung von Mobility Pricing als Ersatz für die neugeschaffenen Finanzierungssysteme für Schiene (Bahninfrastrukturfonds BIF) und Strasse (Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds NAF) opportun?
Drittens: Werden mit Mobility Pricing die bisherigen Grundsätze der Verkehrsfinanzierung eingehalten? Konkret das Verursacherprinzip bei der Erhebung der Abgabe für Infrastruktur- und Betriebskosten, die Zweckbindung der Abgaben, keine Steuererhebung auf Vorrat, ausreichende Bereitstellung der Finanzmittel für die Finanzierung der Verkehrsinfrastrukturen.
Und viertens: Können die spezifischen Erwartungen an den Systemwechsel zu Mobility Pricing erfüllt werden? Hier geht es um Gleichzeitigkeit bei öffentlichem Verkehr und motorisiertem Individualverkehr, Haushaltsneutralität, Datenschutz, einfache Handhabung und Gerechtigkeit beim Zugang zum Verkehr auch bei regionalen und sozialen Sonderfällen. Das vorliegende Konzept des Bundesrats für ein Mobility Pricing in der Schweiz hält einer Prüfung nach diesen Kriterien nicht Stand; es muss abgelehnt werden.
Ist Mobility Pricing am Ende nur ein hübsch verpacktes Road Pricing?
Diese Gefahr besteht für die weitere Bearbeitung des Dossiers tatsächlich. Der Bundesrat hat sich in seinem Konzeptbericht zu Mobility Pricing aus dem Jahr 2015 jedoch klar für die Gleichzeitigkeit des Systemwechsels für ÖV und MiV ausgesprochen und dies seither mehrmals bestätigt.
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