«Mobilität ist nichts Böses»

Future Mobility Forum​

«Mobilität ist nichts Böses»

21. Oktober 2024 agvs-upsa.ch – In der Schweiz gibt es viele Treiber der Mobilitätswende. Vor allem für Firmen und Areale wird es wichtig, Mobilität als Service zu verstehen. Doch Innovationen und Nachhaltigkeit entstehen nicht einfach so. Im Kanton Zug bündeln Wirtschaft, Politik und Wissenschaft deshalb ihre Kräfte. Jürg A. Stettler


Bernhard Soltermann, Director Sustainability, Energy & Mobility Projects bei der Amag und Co-Geschäftsführer der Allianz, stellt die Idee der Zug Alliance vor. Fotos: AGVS-Medien

Weil Theorie zwar gut ist, aber in der Praxis vieles doch anders aussieht, brauchen Innovationen im Bereich Mobilität nicht nur den Dialog, sondern auch konkrete Umsetzungen und Tests. Denn nicht alles lässt sich auch wirtschaftlich umsetzen. Dies gestand zum Auftakt des Future Mobility Forums 2024 Philipp Wetzel, Managing Director des Amag Innovation & Venture Lab, ein: «Wir probieren vieles aus und müssen immer wieder Projekte verwerfen, weil wir keinen Business Case sehen.» Die Autobranche sei bei der Mobilitätswende an allen Fronten gefordert, ob Bevölkerungswachstum, die enorme Zahl der Staustunden oder auch die derzeit stockenden Verkäufe bei E-Fahrzeugen.

Mobilität der Zukunft erlebbar machen
«Wir müssen den Leuten klarmachen, dass Mobilität nichts Böses ist», erklärte Professor Andreas Herrmann vom Institut für Mobilität der Universität St. Gallen (HSG). In der Schweiz sei Mobilität ein wichtiger Faktor fürs Wirtschaftswachstum und für die Mobilitätswende entscheidend, Mobilitäts- und Energiesektor besser zu verknüpfen. «Wir haben viele kleine Ideen und Projekte, aber keine grossen», so Herrmann. «Wir müssten eine Stadt haben, so richtig gross, wo die Bagger auffahren und sie umbauen für die Mobilität der Zukunft.» Nur so könne man eine Modellregion schaffen, in der die Menschen die neuen Arten der Mobilität erleben, erfahren und Zugang dazu finden.

Tamara Wisser, Doktorandin an der HSG, zeigte danach eindrücklich auf, dass wir in der Schweiz eigentlich schon viel investieren. «Der Bund gibt jedes Jahr 60 Millionen Franken für zukunftsfähige Mobilität aus – ein Flickenteppich von extrem teuren, aber kurzfristigen Mobilitätsexperimenten», so ihr kritisches Fazit. Es brauche keine auf drei bis vier Jahre beschränkten Projekte, sondern ganze Modellregionen. «Dabei sind der Kontext, der Testraum, die Grösse, aber auch die Anzahl der Teilregionen erfolgsentscheidend.» In einer Studie hat Wisser europaweit 132 Modellregionen in 15 europäischen Ländern ausfindig gemacht. Als entscheidende Kriterien hält sie die Skalierbarkeit der Innovationen und vor allem die Zusammenarbeit der einzelnen Akteure fest. «Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, halbprivate Anbieter und nicht zuletzt die Bevölkerung, die diese Mobilitätsangebote annehmen sollen, sind entscheidend», so Wisser.

Schweiz ideal für Mobilitätsinnovationen 
Die HSG-Wissenschaftlerin machte ausserdem klar: Wer kritische Mobilitätsbedürfnisse in der Schweiz angeht, nehme es mit einem sehr guten ÖV und dem bei Schweizern sehr beliebten Auto auf und habe daher einen schweren Stand. Die Schweiz habe eine sehr gute Mobilitätslandschaft für Innovationen, nur gebe es sehr fragmentierte öffentliche Akteure, die auf Gemeinde-, Kantons- oder gar Bundesebene abgeholt und integriert werden müssten. «Wie bei Energie Schweiz müsste als langfristiger Ansprechpartner eigentlich eine Mobilität Schweiz vorhanden sein, um Wege der Zusammenarbeit zu finden und die Herausforderungen anzugehen», meinte Wisser. So könnten Wissen und Erfahrung anderen Regionen zugänglich gemacht werden, damit diese davon lernen.

Die Zug Alliance als Modellregion 
Genau da kommt die am Future Mobility Forum vorgestellte Zug Alliance ins Spiel. Getrieben von der Wirtschaft, unterstützt von der Wissenschaft und in enger Zusammenarbeit mit dem Kanton wurde sie gegründet. Ziel des neuen Vereins ist die Förderung der sektor-übergreifenden Zusammenarbeit, um Energie und Mobilität schneller zu dekarbonisieren. Bernhard Soltermann, Director Sustainability, Energy & Mobility Projects bei der Amag und Co-Geschäftsführer der Allianz, erklärte: «Die Mobilität war früher nur ein Energieverbraucher, doch heute kann die Mobilität auch als mobiler Speicher genutzt werden. Das schafft ein neues Spielfeld mit vielen Möglichkeiten.» Zusammen mit dem Kanton Zug wolle man hier etwas bewegen. Der Kreis der Beteiligten sei anfangs bewusst klein gehalten, aber man stimme sich mit anderen Akteuren schweizweit sehr eng ab und sei auch Teil der Workshops für die Roadmap Elektromobilität.


Diskutierten am Future Mobility Forum angeregt über Mobilitätsideen: Reto Brennwald (Moderator), Andreas Herrmann (Professor am Institut für Mobilität der HSG), Luisa D’Amato (COO Mobility), Florian Weber (Zuger Regierungsrat) und Helmut Ruhl (CEO der Amag-Gruppe). (v. l. n. r.).

Wallbox für bidirektionales Laden 
Gestartet wird mit drei konkreten Ideen. Zum einen mit automatisiertem Ridepooling, wofür man eine Machbarkeitsstudie durchführte, um es nun in zwei bis drei Jahren umzusetzen. Dann soll ein virtuelles Kraftwerk entstehen. Dieses wird nicht physisch an einem Ort gebaut, sondern diese Speicher- und Kraftwerkseinheiten sind im ganzen Kanton verteilt, aber so vernetzt, dass sie eine Stromlücke schliessen und Energie-Resilienz garantieren können. «Zum Dritten gehen wir das bidirektionale, netzdienliche Laden von Autos an. Auf dem Papieri Areal in Cham können wir alles konkret umsetzen und die vielfältigen Nutzungs- und innovativen Energiekonzepte auch testen», führt Soltermann aus. «Das Ganze soll auch skalierbar sein.» Dazu lässt man gerade von VW und Siemens eine Wallbox, die bidirektionales Laden erlaubt, entwickeln. «Und zwar nicht nur einige Stücke zu Testzwecken. Die wird dann auch industriell hergestellt», präzisiert Soltermann.

Bei der Zug Alliance, die eine intelligente Sektorkopplung anstrebt, schafft man bewusst auch clevere Angebote für Firmen- und Wohnareale, die zu den Treibern der Mobilitätswende zählen. Schliesslich müssen ab 2026 auch kleine und mittlere Firmen ein sogenanntes ESG Reporting abliefern, was schweizweit doch etwa 3500 Firmen sein dürften. Dieses Reporting fasst alle Aktivitäten eines Unternehmens zusammen, welche sich auf Umwelt, Gesellschaft und die Mitarbeitenden auswirken. Daher gewinnen die Mobilitätsformen der Mitarbeitenden oder die Nutzung der Firmenflotte an Bedeutung. Die Digitalisierung einer Flotte zur Vereinfachung der Prozesse und der administrativen Verarbeitung wird extrem wichtig. Hier hat man bei der Amag mit Allride schon ein spannendes Angebot. Kommen diese und weitere Mobilitätsinnovationen über die B2B-Projekte bei Firmenmitarbeitenden und Flottenkunden gut an, überlegt sich vielleicht auch der eine oder andere, ob dies fürs Private ebenfalls eine praktische Mobilitätslösung wäre. 

Weitere Infos unter: zug-alliance.ch
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