Autonome Lastwagen
Die Zukunft fährt selbst
Entspannter Alltag: Schon vor Jahren deutete dieser Mercedes-Prototyp die autonome Zukunft an. Foto: Mercedes
Tpf. Berufschauffeur Ruedi ist ganz relaxed. Er dreht seinen Fahrersitz zur Seite und studiert online die Speisekarte der nächsten Raststätte – bei Tempo 80 auf der A1! Plötzlich schert ein Auto vor seinem Sattelzug ein. Was jetzt? Nichts jetzt: Ruedi ist die Ruhe selbst, derweil sein Camion bremst, den korrekten Abstand wiederherstellt, etwas die Lenkung korrigiert und dann stoisch seiner Spur folgt.
Einst für dieses Jahrzehnt angekündigt, dürfte derlei zwar erst 2030 oder 2035 Alltag werden. Aber unweigerlich kommen, anfangs im Autobahn-Fernverkehr. Es erhöht die Sicherheit, Sensoren sind nie müde oder abgelenkt. Dies unter der Voraussetzung, dass sie korrekt kalibriert sind. Die Technik soll auch helfen, Geld zu sparen. Eine Studie von Strategy& errechnete bereits 2018 Einsparungen von 47 Prozent durch automatisierte Logistikflotten. Bei der ferneren Zukunft wäre der Mensch gar obsolet, die Fahrzeuge laut Studie 78 statt heute 29 Prozent der Zeit auf Achse. Nur: Zwar betonen die LKW-Hersteller, man befreie von Stress, weil man unterwegs etwa Büroarbeiten erledigen könne. Doch werden alle Visionen wahr, fielen viele Chauffeurjobs weg.
Ein erster Schritt in die autonome Richtung waren Radartempomaten, Spurassistenten und Notbremssysteme. Und das sogenannte Platooning, mit dem Ende der 2010er-Jahre Hersteller wie MAN, Mercedes oder Scania zeigten: Kommunizieren Lastwagen miteinander, kann man den Verkehrsraum besser nutzen, indem man Abstände verkürzt und sie quasi in Kolonne fahren lässt.
Quelle: Mercedes
Dass das autonome Fahren sich verzögert, liegt einerseits an Gesetz- und Haftungsfragen: In der Schweiz darf beispielsweise heute selbst in teilautonomen Fahrzeugen (Level zwei oder drei) nie das Lenkrad losgelassen werden. Deutschland beispielsweise hat das Thema in Gesetzesform gegossen, weshalb Mercedes das erste Level-3-System in Personenwagen nun dort einsetzen darf. Zur Schweiz sagt Andreas Herrmann, Professor der Universität St. Gallen (HSG) und Experte für autonomes Fahren: «Wir haben viele kleine Projekte, doch es fehlt noch der eine grosse Wurf.» Das Bundesamt für Strassen (Astra) ist jedoch nun mit Hochdruck an dem Forschungsschwerpunkt.
Und andererseits sind die technischen Hürden im Detail höher als erwartet. Nur ein Beispiel: Im Schneetreiben kann der Mensch erahnen, wo Spuren verlaufen, die Kamera ist hier quasi blind. Doch diese Hürden dürften «intelligente» vernetzte Computersysteme bald meistern. Aus Garagistensicht ändert freilich weniger die Technik des autonomen Fahrens den Arbeitsalltag, sondern vor allem, mit welcher der vielen Antriebsarten (siehe Kasten) LKW dann autonom fahren.
Während neue Personenwagen ab 2035 in Europa mehrheitlich batterieelektrisch sein werden, erwarten Experten für Nutzfahrzeuge einen breiteren Antriebsmix. Diese Technologieoffenheit fordert Garagisten massiv: Die Vielfalt wird enorm, neue Antriebe entwickeln sich rasant. Beständige Weiterbildung wird daher noch wichtiger. Beispiel Elektroantrieb: Hochvoltsysteme werfen neue Gefahren auf. Beispiel Wasserstoff: Die Werkstattumgebung muss hier explosionsgeschützt sein.
Elektro: Vieles deutet darauf hin, dass auch bei neuen Nutzfahrzeugen batterieelektrischer Antrieb in Europa bereits 2035 die dominierende Antriebsform sein wird, ganz besonders im Nahverkehr.
Brennstoffzelle: Der Elektroantrieb mit eigener Stromquelle – einer wasserstoffbetriebenen Brennstoffzelle – wird dank flott wachsender Infrastruktur vor allem im Fernverkehr zur Alternative.
Direktwasserstoff: Die Verbrennung von Wasser¬stoff im modifizierten Verbrennungsmotor hat ihre technischen Tücken, dürfte sich aber etablieren – beispielsweise im Bereich der Baumaschinen.
Erd-/Biogas: Ob hochdruck-komprimiert (CNG) oder tiefkalt-verflüssigt (LNG) gespeichert – die Verbrennung ¬gasförmiger Treibstoffe ist gerade mit E-Fuels in Bioqualität eine schnell umsetzbare Alternative, um heute CO2-reduziert oder -neutral unterwegs zu sein.
Diesel: Der Diesel wird vor allem global vorerst eine bedeutende Antriebsform bleiben. Wie sehr, hängt massgeblich auch davon ab, ob sich die heute noch raren und teuren E-Fuels durchsetzen.
Experten sprechen statt vom autonomen Fahren vom automatisierten Fahren, denn im Wortsinn autonom ist erst das höchste Automatisierungslevel. Die fünf Level des automatisierten Fahrens:
Level 1 – assistiert: Der Fahrer fährt, aber Einzelsysteme (z.B. Radartempomat) unterstützen ihn.
Level 2 – teilautomatisiert: Auto fährt, Fahrer muss überwachen und eingreifen können. Seit 2013.
Level 3 – hochautomatisiert: Auto fährt, der Fahrer muss nach Vorwarnung eingreifen. Seit 2021.
Level 4 – vollautomatisiert: Auto fährt z.B. Autobahn, Fahrer übrige Strecken. Etwa 2030 denkbar.
Level 5 – autonom: Auto fährt immer selbst, kein Mensch an Bord notwendig. Frühestens 2035.
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